Gesunde Ernährung – Renaissance der Fettsäuren

Gesunde Ernährung

Renaissance der Fettsäuren

In der heutigen Zeit liegt die Herausforderung unserer Ernährung in der westlichen Welt nicht mehr darin, ausreichend Nahrung für das Überleben zu beschaffen, sondern eine kluge Auswahl aus dem vielfältigen Angebot zu treffen.

PHILOSOPHIE DER ERNÄHRUNG

Dank moderner Technologien, der Globalisierung und der Verdichtung unserer Infrastruktur haben wir ständigen Zugriff auf Lebensmittel, die für uns als Gesellschaft sehr erschwinglich geworden sind. Heute geben wir in Deutschland durchschnittlich nur noch etwa 10 % unseres Einkommens für unsere Ernährung aus. Gleichzeitig entsteht ein Trend, sich mit der eigenen Ernährung zu identifizieren, sie als eine Art Lebensphilosophie zu betrachten.

Immer mehr „Glaubensrichtungen“ sind in den letzten Jahren aufgekommen: von Paleo-Steinzeiternährung, über RohkostVeganLow-CarbKeto bis hin zur klassischen Mischkost. Alle sind vom eigenen Konzept fest überzeugt. Studien hierzu zeigen jedoch gemischte Ergebnisse und lassen eine Entscheidung, welche Ernährungsform am gesündesten ist, nur eingeschränkt zu. Dies ist recht leicht erklärt: Jede Ernährungsform folgt einem Grundkonzept. Entscheidend ist dann jedoch jeweils die exakte Lebensmittelauswahl.

Als Veganerin oder Veganer kann ich ein weißes Brötchen aus hochgezüchtetem Weizen mit Zusatz zahlreicher Konservierungs-, Farb- und Geschmacksstoffen essen oder aber ein traditionell geführtes Sauerteigbrot aus biologisch angebautem Getreide in Vollkornvariante. Als Mischköstlerin oder Mischköstler kann ich täglich eine hoch verarbeitete Wurst mit Zucker- und Fettzusatz auf mein Brot legen oder aber einmal wöchentlich ein Roastbeef des Weiderindes.

So kann die Liste lange weitergeführt und für quasi jedes Lebensmittel eine natürliche, nährstoffreiche Variante und eine nährstoffarme, zuckerreiche und hoch verarbeitete Version gefunden werden. Letztlich weisen die meisten Untersuchungen darauf hin, dass gar nicht die Ernährungsform an sich entscheidend ist, sondern die Qualität der gewählten Lebensmittel. Denn die entscheidet darüber, wie viele Mikronährstoffe in Form von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen enthalten sind, welche weiteren wertvollen Inhaltsstoffe, wie sekundäre Pflanzen- und Ballaststoffe, darin zu finden sind und wie sich der Verzehr z.B. auf den Blutzucker auswirkt. Mit einigen einfachen sowie praktischen Tipps ist die Auswahl gar nicht so schwer:

  • Möglichst unverpackte Lebensmittel
  • Saisonale und regionale Produkte
  • Lebensmittel ohne Zutatenliste
  • Wenn eine Zutatenliste zu finden ist, sollte diese möglichst kurz sein (< 5 Zutaten)
  • Wenn die Zutatenliste Dinge enthält, die ein Grundschüler nicht aussprechen kann, gehört es nicht in den Einkaufskorb
  • Biologisch / Traditionell hergestellte Lebensmittel bevorzugen
  • Bei Fleisch und Fisch Weidehaltung bzw. Wildfang auswählen

Da das Essen am Ende vor allem auch Genuss und Freude bereiten soll, empfehlen Experten gerne die 80:20 Regel. Hierbei wird sich zu 80 % gesund, nährstoffreich und kalorienarm ernährt und zu 20 % Ausnahmen gemacht. Bei den Ausnahmen sollte man sich nicht zu viele Gedanken um den Inhalt machen, dafür besonders bewusst genießen – denn das ist ebenfalls Teil einer gesunden Ernährung und Esskultur.

FETT IST NICHT GLEICH FETT

Ein essenzieller Teil unserer Ernährung sind die Fette. Lange Zeit verschrien und geächtet sind sie aktuell in der Renaissance und wurden einem Paradigmenwechsel unterzogen: Vor etwa 50 Jahren wurde das Fett allseits verteufelt und die Low-Fat Ernährung ins Leben gerufen und propagiert. Heute wissen wir aus zuverlässigen Studien, dass dies vor allem auf einem Wissenschaftsschwindel beruhte und vor allem der hohe Konsum an Zucker uns schadet. Fett ist wieder salonfähig – jedoch sollte auch hier die Qualität beachtet werden.

SO NATÜRLICH WIE MÖGLICH

Ein natives, unverarbeitetes Öl enthält ebenso wie andere unverarbeitete Lebensmittel gesundheitsförderliche Inhaltsstoffe wie Vitamine und Polyphenole. Hingegen sind raffinierte Öle hoch industriell verarbeitet und stellen kein natürliches Lebensmittel mehr dar. Dementsprechend sind native, kaltgepresste Öle, idealerweise in Bioqualität, zu bevorzugen.

Darüber hinaus ist bei der Auswahl auch entscheidend, wofür das Öl verwendet werden soll. Hierbei spielt die Struktur der einzelnen Fettsäuren eine entscheidende Rolle: Fettsäuren unterscheiden sich in einer ganzen Reihe von Faktoren, wie ihrer Kettenlänge und ihrem Sättigungsgrad. Diese bestimmen ihre biochemischen Eigenschaften.

Ist eine Fettsäure gesättigt, liegen zwischen den Kohlenstoffatomen ausschließlich einfache Bindungen vor. Diese sind sehr stabil. Ein Fett mit hohem Anteil an gesättigten Bindungen ist daher bei Raumtemperatur eher fest (z.B. Kokosöl). Der Vorteil ist, dass diese Fette auch gegenüber anderen Einflussfaktoren, wie zum Beispiel Hitze, sehr robust sind. Sie eignen sich daher gut zum Braten.

Ist eine Fettsäure mehrfach ungesättigt, liegen zwischen den Kohlenstoffatomen mehrere Doppelbindungen vor. Hierbei gilt: Je mehr Doppelbindungen, desto flexibler und instabiler, sodass die Fette bei Raumtemperatur flüssig sind (z.B. Fischöl, Sonnenblumen- oder Rapsöl). Von Vorteil ist, dass sie auch in unserem Körper flexibel sind und unsere Zellen daher beweglich bleiben. Von Nachteil ist jedoch, dass sie sehr empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen wie Hitze, Sauerstoff und Licht sind.

Durch die Reaktion an den Doppelbindungen können hier gesundheitsschädliche trans-Fettsäuren entstehen. Daher sollten sie nur kalt verwendet und in dunklen, verschlossenen Flaschen kühl gelagert werden. Die Grafik gibt Ihnen einen Überblick, welches Öl Sie wofür verwenden können.

AUF DIE BALANCE KOMMT ES AN

Neben den Verwendungseigenschaften der Öle spielen auch gesundheitliche Faktoren bei der Auswahl eine Rolle. Im Rahmen des Low-Fat Hypes wurden insbesondere die gesättigten Fette und das Cholesterin als Bösewichte dargestellt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Aufnahmemenge dieser Stoffe den Spiegel im Körper nur sehr geringfügig beeinflusst. Anders stellt es sich bei den mehrfach ungesättigten Fettsäuren dar, zu denen wir die Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren zählen. Ihr Spiegel ist stark von der Aufnahme abhängig. Wir benötigen sie als Ausgangsstoff für die Bildung wichtiger Botenstoffe und damit unsere Zellmembranen flexibel bleiben.

OMEGA-6 VS. OMEGA-3

Früher war das Verhältnis von Omega-6 und Omega-3 in unserer Ernährung sehr ausgeglichen. Das ist von großer Bedeutung, da die beiden Fettsäuregruppen in unserem Körper wie Gegenspieler agieren. Ist Omega-6 zum Beispiel dafür zuständig Entzündungen hervorzurufen, sorgt Omega-3 dafür, dass sie wieder aufgelöst werden. Ein ausgeglichenes Verhältnis gibt dem Körper somit die Möglichkeit, zahlreiche Vorgänge im Körper zu steuern. In unserer heutigen Ernährung ist das Verhältnis von Omega-6 zu Omega-3 jedoch aus dem Gleichgewicht geraten. Im Durchschnitt nehmen wir in Deutschland 15 Mal so viel Omega-6 wie Omega-3 auf, sodass die körpereigene Regulation auf Dauer nicht optimal funktionieren kann.

Um das Fettsäuremuster wieder ins Gleichgewicht zu bringen, haben wir zwei Ansatzpunkte: Die Omega-6 Aufnahme reduzieren und den Omega-3-Verzehr steigern. Hört sich zunächst recht einfach an – jedoch steckt der Teufel im Detail. In Bezug auf die Regulation im Körper ist es wichtig, dass nicht alle Fettsäuren einer Gruppe die gleiche Funktion haben. Lediglich die längerkettige Arachidonsäure aus der Omega-6 Gruppe und die Eicosapentaen- (EPA) sowie Docosahexaensäure (DHA) aus der Omega-3 Gruppe spielen eine wichtige Rolle für die angesprochene Regulation im Körper.

Wichtige Lieferanten der einzelnen Fettsäuren sind in der Grafik genannt. Jedoch ist Vorsicht geboten! Der menschliche Körper kann Linolsäure sehr effektiv in Arachidonsäure umwandeln, sodass es nicht allein ausreicht die Menge und Qualität der tierischen Produkte zu hinterfragen. Hingegen funktioniert die Umwandlung auf der Omega-3 Seite nur schlecht. Daher reicht es wiederum nicht aus, Leinöl, Walnüsse oder Chiasamen zu verzehren, sondern es müssen auch EPA und DHA in ihrer direkten Form aus Fisch, Meeresfrüchten oder Algen aufgenommen werden. Früher war Fisch ein Arme-Leute-Essen und es gab lediglich sonntags mal einen Braten. Heute ist es umgekehrt: Bei vielen gibt es fast täglich Fleischprodukte, der Verzehr von industriell hergestellter Nahrung mit einem hohen Anteil an Sonnenblumenöl ist gestiegen und Fisch ist zum Nesthäkchen der Ernährung geworden. So lässt sich das heutige Ungleichgewicht erklären. Abschließend möchten wir Ihnen noch einige praktische Tipps zur Wiederherstellung der Balance mit auf den Weg geben:

  • Pflanzliche Öle mit hohem Omega-6 Anteil vermeiden (Sonnenblumen-, Distel-, Maiskeimöl)
  • Margarine aus Sonnenblumenöl vermeiden
  • Besser selbst kochen und backen. Industriell gefertigte Produkte enthalten meist Sonnenblumenöl da es günstig und geschmacksneutral ist. Achtung: Oft wird es nur als „pflanzliches Öl“ deklariert.
  • Fleisch, Käse, Eier und Milchprodukte aus Weidehaltung oder vom Wild bevorzugen. In der konventionellen Tierhaltung wird mit Omega-6 reichem Getreide wie Soja und Mais gefüttert, was auch das Fettsäuremuster der Tiere beeinflusst.
  • Fischkonsum steigern – hier allerdings darauf achten, Fisch aus Wildfang und kleine Fische (z.B. Sardine, Sardelle, Hering, Makrele) zu bevorzugen, da sie weniger mit Umweltschadstoffen belastet sind als große Raubfische (z.B. Thunfisch). Alternativ bietet sich ein gereinigtes, natürliches Fischöl oder ein rein pflanzliches Algenöl an.